Im Rahmen meiner Ausbildung zum systemischen Coach sprachen wir neulich darüber, wie tiefgreifende Veränderungen ablaufen und unterstützt werden können. Spontan fiel mir der Satz „Keine Veränderungen ohne Emotionen“ ein. Später wurde mir klar, dass dies eine meiner grundlegenden Überzeugungen ist.
Mit tiefgreifend meine ich, dass es hier nicht darum geht, eine andere Kaffeesorte auszuprobieren oder im Büro einen neuen Bürostuhl zu nutzen. Vielmehr handelt es sich um private Veränderungen wie zum Beispiel die Umstellung meiner Ernährung, um langfristig die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, krank zu werden. Beruflich begegnen mir Veränderungen häufig in Form von Change-Initiativen.
Die 4 Räume der Veränderung®
Claes Janssen beschreibt in seinem Denkmodell „Die 4 Räume der Veränderung“® sehr anschaulich die Phasen, die jeder Mensch emotional in solchen Veränderungsprozessen durchlaufen muss. Die einzelnen Phasen können nicht übersprungen werden und (leider) gibt es auch keine Abkürzung ;-).
Es beginnt oben links im Raum der Zufriedenheit. Hier bin ich glücklich, dass es „ist, wie es ist“ und möchte nicht, dass sich etwas verändert. Den Anstoß, diesen Raum zu verlassen, gibt zum Beispiel das Unternehmen, wenn es eine neue Change-Initiative ins Leben ruft, die mit weitreichenden, auch personellen Umstrukturierungen einhergeht.
Dadurch gelangen wir (oft unbemerkt) in den Raum der Leugnung. Obwohl die Initiative bekannt gegeben wurde, ignorieren wir, dass es etwas mit uns zu tun hat. Emotional sind wir belastet und verspüren möglicherweise auch körperliche Symptome, die wir nicht zuordnen können. In diesem Prozess können auch „Leichen im Keller“ entdeckt werden, die tiefgreifendere persönliche Aspekte darstellen. Nach außen geben wir uns unbeeindruckt. Wir zensieren uns so lange, bis wir selbst oder durch externes Feedback erkennen, dass die Veränderung unausweichlich ist.
Das bringt uns in den Raum der Konfusion. Hier ist das Alte weg und das Neue noch nicht da, so dass wir verwirrt und orientierungslos sind. Wir haben keine Idee, wie es weitergehen kann. Emotional sind wir schwer belastet. Erst müssen wir einen emotionalen Tiefpunkt erreichen, bevor es weitergehen kann. Von da aus bedarf es einer Entscheidung, sich der Veränderung konstruktiv und mutig zu stellen, um in den nächsten Raum zu gelangen.
Im Raum der Erneuerung beginnen wir, uns mit den neuen Gegebenheiten und deren Vorteilen zu befassen. Emotional sind wir noch ängstlich, aber auch neugierig auf die Veränderung. Wir generieren Ideen und treffen Entscheidungen, um uns in der „neuen Welt“ zu positionieren. Haben wir diesen Prozess abgeschlossen, landen wir wieder im Raum der Zufriedenheit, wo wir jetzt die positiven Aspekte der Veränderung für uns nutzbar machen.
Ein Beispiel aus meiner Praxis
Ich habe eine Abteilung begleitet, die mit einem bewährten und routiniert durchgeführten Prozess alle zwei Jahre eine neue Hauptversion ihrer Finanzsoftware herausgebracht hat (Zufriedenheit). Der neue Abteilungsleiter wollte auf einen 3-6-wöchigen Releasezyklus umstellen. Daraufhin erinnere ich mich an Sätze aus der Entwicklungsmannschaft wie „Wir haben schon immer so gearbeitet.“ oder „Das geht mit unserem Releaseprozess nicht.“ (Leugnung). Wir haben uns daraufhin ausführlich mit den notwendigen Anpassungen an der Arbeitsweise (Scrum) und dem Releaseprozess beschäftigt. Das hat bei einigen Teammitgliedern erst zu Widerstand (Leugnung) und dann zu Resignation geführt (Konfusion). Als sich erste Veränderungen bewährt hatten, brachten sich immer mehr Teammitglieder ein, die neue Arbeitsweise zu gestalten (Raum Erneuerung), die irgendwann in Fleisch und Blut übergegangen ist (Zufriedenheit).
Eine Frage
Wenn ihr an selbst erlebte, weitreichende Veränderungen denkt, könnt ihr einen Bezug zu den Phasen des Denkmodells herstellen?